Der bürgerliche Künstler (1894-1918)
Thomas Mann folgte seiner Familie - nach dem halbherzigen Schulabschluss - in die Stadt nach, die ihn fast ebenso prägen sollte wie Lübeck: München, das er in Erzählungen wie Gladius Dei aufs Korn nehmen sollte und zu dessen Beschreibung er mit dem augenzwinkernd-ironische Satz anhob: "München leuchtete". Nach einer kurzen Episode als Angestellter einer Feuerversicherungsanstalt pflegte Thomas Mann ein Bohemienleben; er hörte an der Technischen Universität einige Vorlesungen und begann Beiträge für die Zeitschrift Das zwanzigste Jahrhundert zu schreiben. Mit seinem Bruder Heinrich, der bereits erste schriftstellerische Erfolge vorweisen konnte und an dem sich der jüngere orientierte, reiste Thomas Mann im Jahr 1896 für anderthalb Jahre nach Italien (Palestrina und Rom), wo er einige Novellen schrieb und im Oktober 1897 mit seinem Romanwerk Buddenbrooks begann. Als Redakteur des Satireblatts Simplicissimus bewegte er sich in Literatenkreisen und weckte durch seine in Literaturzeitschriften erscheinenden Erzählungen das Interesse des Verlegers Samuel Fischer, dem es gelungen war, einige Autoren der literarischen Décadance und der Moderne in seinem Haus zu versammeln. Obwohl sich der Novellenband, der nach der gleichnamigen Erzählung Der kleine Herr Friedemann benannt war, eher schlecht als recht verkaufte, ermutigte ihn der Verleger, einen längeren Text vorzulegen. Mit 26 Jahren präsentierte Thomas Mann im Jahr 1901 nun einen Erstling, der Grenzen sprengte und Erwartungen übertraf: seine Lübecker Familiensaga. Dieses Buch machte Thomas Mann berühmt und finanziell weitgehend unabhängig. Mit diesem Erfolg sah er sich aber auch selbst verpflichtet, sein Leben als Erfolgsautor zu verbringen, als Schriftsteller von Niveau, Rang und Ansehen. Unterdessen hatte sich Thomas Mann ein philosophisches und literarisches Wissen angeeignet: Wagner, Schopenhauer, Nietzsche (das so genannte Dreigestirn), aber auch Dostojewski, Tolstoi und die deutschen Klassiker. Mann war zeitlebens ein genialer Dilettant.
Dass das Leben als Schriftsteller nicht so einfach war und der Beruf des Schriftstellers alles andere als ein anerkannter und gut bürgerlicher, wusste Thomas Mann nur allzu gut. In seiner Erzählung Tonio Kröger brachte er den Konflikt zwischen Bürger und Künstler aufs Papier. Wie mit einem Beruf und unsteten Neigungen in einer Welt leben, deren Sicherheit und Luxus Thomas Mann schätzte, an deren strikte Regularien er sich aber nicht halten mochte. Kurz vor dem dreißigsten Lebensjahr hatten sich Erfolge eingestellt, aber keine endgültigen Sicherheiten - weder in materieller und künstlerischer Hinsicht noch in Liebesdingen.