Republikaner und Nobelpreisträger (1919-1933)

Langsam, aber nachhaltig befürwortete Thomas Mann die sich abzeichnende neue politische Ordnung. In seiner Rede Von deutscher Republik bekannte er sich anfangs vorsichtig, dann überraschend mutig zur Demokratie. Die Notzeiten waren vorbei, und die Einkünfte der Familie Mann waren auch während der Inflation hoch. Nach Jahren des Schweigens als Romancier veröffentlichte er im Jahr 1924 sein zweites epochales Werk: den Zauberberg. Das Lungensanatorium, in dem sich Katia Mann von einer vermeintlichen Lungenkrankheit erholte, wurde Schauplatz einer von der Realität scheinbar abgekoppelten Welt oberhalb von Davos, die eigenen Gesetzen folgt, in denen sich der ursprünglich auf Besuch befindliche Hans Castorp verstrickt. Hier zeigt sich Manns Technik, medizinisches Wissen und politische Diskurse einzuflechten, was oft kritisiert wurde. Mit diesem Buch hatte Mann den langen Atem bewiesen, der ihm Jahre zuvor gefehlt hatte und den die Kurzatmigkeit der Betrachtungen nicht zuließ.

In der Novelle Unordnung und frühes Leid (1926) karikiert Mann einen Professorenhaushalt, der dem eigenen nicht unähnlich ist, und beobachtet die erste unglückliche Liebe der jüngsten Tochter. Die älteren Geschwister sind dem Elternhaus fast entwachsen. Klaus und Erika Mann verfolgten ihre eigenen Karrieren als Schriftsteller und Schauspielerin, als Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens: Als Duo reisten sie um die Welt, füllten die Klatschspalten der Yellow press. Der Vater sieht dies mit Wohlwollen und Augenzwinkern. Überschattet wurden die golden erscheinenden Zwanziger Jahre, in denen sich die Manns beispielsweise ein komfortables Ferienhaus in Nidden gönnten, durch den Freitod der Schwester Julia im Jahr 1927, der sich Thomas Mann wesensverwandt gefühlt hatte.

Die Manns waren ein überaus theatralisches Haus; Thomas Mann selbst wurde in der Familie nicht ohne Grund "der Zauberer" genannt. Die linksliberale Einstellung seiner ältesten Kinder, die Homosexualität von Klaus, ihr Habitus als Kinder aus reichem Haus und ambitionierte Künstler polarisierte und provozierte die deutschnationale Presse. Viel an Häme, die die Sprösslinge traf, galt dem Vater, der sich von seinen deutsch-nationalistischen Einstellungen verabschiedet und mit der Republik Frieden geschlossen hatte.

Auch den jüngsten Familienmitgliedern blieb nicht verborgen, dass der "Herr Papale" sich gelegentlich die Augen an jungen Männern weidete, deren Anwesenheit er genoss - und dies nicht nur auf seinem Lieblingsbild ‚Die Quelle' von Ludwig von Hofmann. Seine homoerotischen Neigungen waren Stimulus und Inspiration, wurden aber nach heutigem Stand der biografischen Forschung nicht ausgelebt. In den Figuren Gustav von Aschenbach (Der Tod in Venedig) und Lord Kilmarnock (Felix Krull ) hat sich Mann in seinen Schwärmereien verewigt.

Die beiden jüngsten Kinder, Elisabeth und Michael, weckten Thomas Mann in seiner ‚geheiligten' Mittagsruhe mit einer besonderen Nachricht: Der Vater war 1929 in den Olymp der Nobelpreisträger berufen worden und zog nun mit seinem ‚Konkurrenten' Gerhart Hauptmann gleich. Diese Auszeichnung förderte Manns internationale Anerkennung und bescherte insbesondere seinen Buddenbrooks einen enormen Verkaufserfolg, schnell war die Marke von 1 Mio. Exemplaren überschritten. Thomas Mann war zum Literaten avanciert, der spätestens in diesen Jahren von seiner Tätigkeit üppig leben konnte.

Einer der zahlreichen Familienreisen - mal zum Skifahren in die Berge, mal nach Sylt oder in den Orient - verdankt Thomas Mann den Stoff für eine Erzählung von prophetischem und analytischem Charakter: Mario und der Zauberer. Mann beschreibt das Klima während des Faschismus in Italien, die zunehmende Fragilität der Republik, die politischen Gegensätze, die zunehmend gewalttätige Formen annahmen. Demagogen begannen in Europa die durch Wirtschaftskrise und daraus resultierende Arbeitslosigkeit verunsicherte Bevölkerung in ihren Bann zu ziehen. Thomas Mann und seine Familie gerieten ins Fadenkreuz der dumpfen rassistischen Parteien: als ‚dekadent', ‚Judenfreunde', ‚undeutsche Nestbeschmutzer' - als Repräsentanten eines Bürgertums, das sich mit der Republik angefreundet hatte.

Aus seiner Verachtung dem Nationalsozialismus und Hitler gegenüber hatte Thomas Mann keinen Hehl gemacht. Ausgerechnet an Wagner, über dessen "Leiden und Größe", er in München eine brillante Rede gehalten hatte, entzündete sich im März 1933 der Protest. Die Münchner Gesellschaft begehrte gegen den vermeintlichen Verräter an Wagners Sache auf: Thomas Mann wurde zur persona non grata erklärt und kehrte aufgrund des vergifteten Klimas nicht mehr nach München zurück. Er hatte um sein Leben zu fürchten und überließ seine Bogenhausener Villa ihrem unrühmlichen Schicksal. Helfern wie Sohn Golo, der sein Studium in Heidelberg abgeschlossen hatte, war es zu verdanken, dass Manuskripte und andere Wertgegenstände gerettet werden konnten.

Bereits 1926 hatte Mann mit dem ersten Josephs-Roman begonnen, der 1933 erscheinen sollte - noch glaubte er an ein Ende des "Nazi-Spuks" und an Rückkehr. Die Josephs-Tetralogie kursierte als Geheimtipp im nationalsozialistischen Deutschland - Thomas Mann kehrte diesem Land den Rücken zu, der deutschen Sprache allerdings niemals. Seine Stimme galt als eine der gewichtigsten unter den deutschen Exilautoren - in künstlerischer wie politischer Hinsicht.

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