Der Rückkehrer (1952-1955)

Dass die deutsche Geistesgeschichte seine Heimat war, hatte Thomas Mann mit seinem Doktor Faustus im Jahr 1947 bewiesen. Die Musik, seine Leidenschaft, machte Thomas Mann in diesem Buch zum Thema - insbesondere Arnold Schönbergs Zwölftonmusik. Auch umfangreiche Novellen wie Der Erwählte oder Die Betrogene zeugen von Manns Produktivität im hohen Alter. In Zürich führte er - als wolle er einen Lebenskreis schließen - das Hochstaplerprojekt Felix Krull fort, das er fast vierzig Jahre hatte ruhen lassen. Die Erzählung wuchs in epische Breite, Mann bewahrte aber trotz aller Bildungsbeflissenheit den heiteren und ironischen Ton. Und er hatte hochfliegende Pläne: ein Werk über Martin Luther. Noch in seinem letzten Lebensjahr kaufte er die Villa an der Alten Landstraße in Kilchberg am Zürichsee, ein stattliches Haus, in dem Katia noch fast dreißig weitere Jahre wohnen sollte und das erst Erika und letztlich auch Golo Mann zur Heimstatt geworden ist.

In Thomas Manns letztem Lebensjahr verdichteten sich die Ereignisse: Er besuchte seine Heimatstadt Lübeck, die ihm die Ehrenbürgerwürde zusprach, bereiste erneut beide deutschen Staaten, die Friedrich Schiller zum 150. Todestag die Ehre erwiesen und legte mit seiner Schiller-Rede einen viel beachteten großen Essay vor. Auch jährte sich der Hochzeitstag mit Katia zum 50. Mal, der gebührlich gefeiert wurde - ebenso wie der 80. Geburtstag. Ein Jahr voller Höhepunkte also.

Am 12. August 1955 verstarb Thomas Mann im Zürcher Kantonsspital und wurde wenige Tage später auf dem Kilchberger Friedhof von einem imposanten Trauerzug zu Grabe getragen. Mit Thomas Mann starb ein Schriftsteller, dessen Lebensspanne die dynamischsten Jahrzehnte der jüngeren deutschen und europäischen Geschichte umspannte. Er war genauso Chronist seiner Zeit und Umwelt wie seiner Person. Der Nachwelt hat er ein umfangreiches Oeuvre hinterlassen, das nicht zuletzt die zehn Bände seiner Tagebücher und Tausende Briefe umfasst, in denen sich Thomas Mann als aufmerksamer Beobachter erwies.

Thomas Manns Auseinandersetzungen mit Kunst und Bürgerlichkeit, dem Geistigen und dem Materiellen regte Generationen von Lesern an, gelang es ihm doch, die geschilderten Verhältnisse durch Ironie zu pointieren und zu relativieren. Genauso wie Thomas Mann nur im Phänotyp der ideale Vertreter des bürgerlichen Zeitalters war, genauso war er als Person nur auf der Oberfläche der Inbegriff des Großschriftstellers. Die Untertöne und Abgründe seiner Werke wie die Ambivalenz seiner eigenen Person fordern die Leser noch immer heraus.

Zahlreiche Nachdichtungen, Vertonungen, Filme und Karikaturen zeugen davon, dass Manns Werk nach wie vor Künstler anregt. Das Interesse der Literaturwissenschaft ist ungebrochen, sodass es eine lebhafte Forschung zu Thomas Mann rund um den Globus entfaltet. Thomas Manns Rückkehr an die Spitze des Kanons deutschsprachiger Literatur begann, obwohl sich seine Bücher stets gut verkauften, erst in den späten 1980er Jahren und ist heute unwidersprochen.

Thomas Manns Leben war das eines außergewöhnlichen Schriftstellers, der auch sein eigenes Leben zum Kunstwerk machte.