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Ilija Trojanow zur Wahl in den USA 2020

In Ilija Trojanows Roman »Doppelte Spur« stehen die politischen Machenschaften des amerikanischen und des russischen Präsidenten im Fokus. Wir haben den Autor nach seinen Einschätzungen zur US-Wahl 2020 gefragt.

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© Thomas Dorn

Heute findet das erste TV-Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden statt? Sind Sie gespannt auf den Ausgang?

Nicht wirklich. Trump alias »Schiefer Turm« kann nichts sagen, was uns noch mehr schockieren würde, und Biden wird wohl kaum etwas sagen, was uns begeistern könnte. Trump wird eine Sprache der Provokation benutzen, Biden eine Sprache der Anständigkeit, was normalerweise zu wenig wäre.

 

Ist ein Kandidat wie Joe Biden nicht zu blass oder zu »anständig«, um sich gegen Donald Trump behaupten zu können?

Kompromisskandidaten zeichnen sich dadurch aus, dass sie niemanden abstoßen oder vor den Kopf stoßen. Der Mangel ein Profil ist da fast schon ein Vorteil. Die Umfragen zeigen, dass viele Menschen eher Anti-Trump als Pro-Biden wählen werden, insofern muss Biden weniger als Politiker überzeugen denn als Mensch. 

 

Wie werden aus Ihrer Sicht die Corona-Krise oder Trumps Steueraffäre die Wahl beeinflussen?

Die Corona-Krise war die erste Herausforderung, bei der die medialen Instrumente von Trump – Wegreden, Ablenken, Gegenattacke und Zuspitzung – nicht wirken. Er ist der Pandemie in keiner Weise gewachsen. Übertrieben könnte man sagen, dass nur die Leugner bzw. Verharmloser von Corona ihn jetzt noch wählen können. Die Steueraffäre wird ihm weniger schaden. Was die New York Times veröffentlicht hat, war zwar im Detail nicht bekannt, in der Ausrichtung aber sehr wohl. Trump hat sich ja damit gebrüstet, keine Steuern zu zahlen, als Ausdruck seiner Intelligenz. Übrigens ist er ja nicht der einzige Milliardär, der es schafft, Steuern im Großen und Ganzen zu umgehen. 

 

Man geht davon aus, dass Russland 2016 die US-Wahl beeinflusst hat. Ist damit auch 2020 wieder zu rechnen? 

Ich weiß nicht, ob diese Manipulationen das Endergebnis so sehr beeinflusst haben. Sicherlich weniger als das Geld russischer Oligarchen, das über Jahrzehnte hinweg Trump am Leben erhalten hat. 

 

In Ihrem Roman Doppelte Spur setzen Sie sich mit der Verflechtung von Politik, Geheimdiensten und mafiöser Oligarchie auseinander. Fiktion oder Realität?

Ein guter realistischer Roman verdichtet Fakten zu Wahrheit. In Zeiten von unzähligen fragwürdigen Behauptungen und »Nachrichten« im öffentlichen Raum, muss ein Roman, der die Gegenwart abbilden will, meines Erachtens mit faktischem Material arbeiten, denn dieses ist ja schon »fantastisch« genug. Aber die entscheidende Frage ist doch immer, wie die Fakten geordnet und reflektiert werden, welche Erzählung sich daraus ergibt. Das gilt für investigative Journalisten genauso wie für Romanciers. Aber ich bin zuversichtlich, dass der Roman den Leserinnen und Lesern ein plausibles und glaubwürdiges Bild der gegenwärtigen Situation bietet, auch indem er die individuelle Skepsis während der Lektüre anregt.

 

Ist der Roman (als Gattung) für Sie ein Erkenntnisinstrument?

Ja, eines unserer besten. Gut geeignet, um Illusionen zu skalpieren. Aber auch – und genauso wichtig – ein ästhetisches Vergnügen.

Ilija Trojanow, geboren 1965 in Sofia, floh mit seiner Familie 1971 über Jugoslawien und Italien nach Deutschland, wo sie politisches Asyl erhielt. 1972 zog die Familie weiter nach Kenia. Unterbrochen von einem vierjährigen Deutschlandaufenthalt lebte Ilija Trojanow bis 1984 in Nairobi. Danach folgte ein Aufenthalt in Paris. Von 1984 bis ...

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